Zusammen lesen: Georg Lukács
Online
24.04.2021, 14:00 – 17:00 Uhr
Zugeordnete Dateien
Georg Lukács gilt als bedeutender Repräsentant undogmatischer marxistischer Philosophie und einer der großen, kontroversen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Geprägt durch den Ersten Weltkrieg und die Oktoberrevolution, die Auseinandersetzung mit Lebensphilosophie, Neukantianismus und Max Webers Soziologie, suchte der Jugendfreund Ernst Blochs nach seiner vormarxistischen Essayphase eine Synthese hegelianischer und marxscher Denkmotive. Dabei wurde er von den Dogmatikern des Marxismus-Leninismus bekämpft und als Initiator des Westlichen Marxismus gefeiert.
In seinem philosophischen Hauptwerk „Geschichte und Klassenbewußtsein“ entwickelte er 1923 eine Philosophie der Praxis, deren zentrale Kategorie der Verdinglichung aus der Geschichte der Kritischen Theorie (von Adorno bis zu Habermas und Honneth nicht wegzudenken ist und um 1968 weltweit wiederentdeckt wurde. Das Buch ist gleichermaßen emphatischer Ausdruck einer revolutionären Phase, wie Reflexion der ideologische Krise der politischen Avantgarde. In den Nazizeit und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich Lukács im Kampf gegen die ideologischen Wurzeln des Rechtsradikalismus. Sein in diesem Kontext entstandene Studie „Die Zerstörung der Vernunft“ (1954) war ebenso einflussreich wie umstritten.
In seinem postum erschienen Spätwerk zur „Ontologie des gesellschaftlichen Seins“ versuchten Lukács und dann auch seine Budapester Schule (Agnes Heller u.a.) einer poststalinistischen Renaissance des Marxismus ein theoretisches Fundament zu geben. Wie unbequem Lukács bis zum heutigen Tage geblieben ist, zeigt sich aktuell im Umgang von Orbans Ungarn mit dem Budapester Lukács-Archiv, das trotz massiver internationaler Proteste kürzlich geschlossen worden ist. Seit einigen Jahren ist zumal im englischen Sprachraum, aber auch in Lateinamerika und Asien eine Art Lukács-Renaissance zu beobachten. Kein Wunder: Unsere neoliberale Gegenwart produziert und reproduziert alltäglich herkömmliche wie neue Phänomene der Verdinglichung, die eine theoretische wie praktische Aufarbeitung verlangen.
Rüdiger Dannemann ist Vorsitzender der Internationalen Georg-Lukács-Gesellschaft. Er studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte in Bochum und Frankfurt/Main. Promotion in Rotterdam mit „Das Prinzip Verdinglichung“. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Sozialphilosophie und politischen Philosophie, speziell zu Lukács, dem Westlichen Marxismus und der Kritischen Theorie, sowie zu literaturwissenschaftlichen und musikästhetischen Themen.
Die Reihe „Zusammen lesen“ wendet sich bewusst an Menschen, die sich noch nicht oder nur wenig mit Georg Lukacs beschäftigt haben und gerne einen ersten Einblick in die Originaltexte bekommen möchten. Es sind keine Vorkenntnisse erforderlich und der Text muss auch nicht vor der Veranstaltung vorbereitet werden. In unserer Reihe „zusammen lesen“ wollen wir einige Gesellschaftskritiker*innen lesend kennenlernen. Im Jahr 2021 sind dies: Hannah Arendt, Georg Lukács, Nancy Fraser, Karl Marx, Gayatri C. Spivak und Michel Foulault. In den Workshops sollen nicht nur zentrale Gedanken der Theoretiker*innen gemeinsam erarbeitet und kritisch diskutiert werden, sondern es soll auch ein Raum geschaffen werden, in dem politisch Engagierte ihre alltäglichen Erfahrungen in Bezug auf die jeweiligen Theorien diskutieren und theoretisch reflektieren können.
Gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung.
> Die Gesprächsrunde findet im digitalen Raum statt. Die Zugangsdaten für die Veranstaltung verschicken wir am Tag der Veranstaltung an alle, die teilnehmen möchten, per E-Mail. Wir bitten deshalb um Anmeldung zur Veranstaltung bis Dienstag, den 22. April über anmeldung@rls-hamburg.de. Bitte geben Sie auch ihren Wohnort an und lassen Sie uns wissen, ob Sie in den Newsletter der RLS Hamburg aufgenommen werden wollen.
Schreibe einen Kommentar