In Bearbeitung

2021 ist nicht nur wegen des fünfzigsten Todestags von Lukács ein Einschnitt, es ist auch ein Meilenstein in der Geschichte unserer Gesellschaft: Vor einem Vierteljahrhundert – im Dezember 1996 – wurde die Internationale Georg-Lukács-Gesellschaft (IGLG) gegründet. Das Ziel, „Vertreter unterschiedlichster akademischer Disziplinen (Philosophen, Literatur- und Sozialwissenschaftler) und die kritisch-engagierte Öffentlichkeit zusammenführen, um eine produktive gegenwartsbezogene Auseinandersetzung mit der Person und dem Werk des ungarischen Philosophen, Ästhetikers und Literaturhistorikers“ anzustoßen und fortzusetzen, ist aus unserer Sicht (und soweit wir das beurteilen können) zu einem guten Stück erreicht worden. Das erste Jahrzehnt, in dem Frank Benseler als Vorsitzender fungierte, wurde in erheblichem Umfang durch Werner Jung geprägt. Seit 2012 ist der Verfasser dieser Zeilen Vorsitzender der IGLG, Dirk Braunstein und Konstantinos Kavoulakos sind stellvertretende Vorsitzende. Frank Benseler ist seitdem Ehrenvorsitzender der IGLG zusammen mit Agnes Heller (verst. 2019), György Márkus (verst. 2016) und Mihály Vajda.

Die Herausgabe des Lukács-Jahrbuchs war und ist Schwerpunkt der Arbeit der IGLG. Bislang sind achtzehn Jahrgänge erschienen, darunter mehrere Doppeljahrgänge. Eine Unterbrechung der kontinuierlichen Erscheinungsweise des Jahrbuchs trat nach dem Rückzug von Werner Jung ein.[1] Auf das Lukács-Jahrbuch 2006/ 2007 folgte erst 2012 das bislang mit 432 Seiten umfangreichste Lukács-Jahrbuch 2012/2013.  Zudem konnten zwei Sonderbände unseres Jahrbuchs herausgebracht werden: 2009 der Band Lukács und 1968. Eine Spurensuche und 2018 der Band Hundert Jahre „transzendentale Obdachlosigkeit“ (Hg. Rüdiger Dannemann, Maud Meyzaud, Philipp Weber), in dem neue Lektüren der Theorie des Romans vorgestellt wurden.[2] Die IGLG ist in den letzten Jahrzehnten als Mitorganisator verschiedener Konferenzen und Tagungen nicht nur in Deutschland in Erscheinung getreten, eine Reihe aktiver Mitglieder hat bei zahlreichen Gelegenheiten (z.B. internationalen Konferenzen wie Historical Materialism) auf Lukács‘ Denken aufmerksam gemacht.

Die Internationalität unserer Gesellschaft hat im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen, was sich u.a. an der Zunahme englischsprachiger Beiträge zum Jahrbuch ablesen lässt oder an der Besetzung des Vorstands seit 2012. Und erfreulicherweise ist in diesen Zeitraum auch der fällige Generationswechsel vorangekommen.

Zu Selbstzufriedenheit besteht allerdings kein Anlass. Es bleiben Baustellen und offene Fragen. Unsere Gesellschaft muss weiblicher werden. In den nächsten Jahren gilt es Kontakte zu anderen „linksphilosophischen“ Gesellschaften und Initiativen zu pflegen oder aufzubauen, gibt es doch eine Reihe an Überschneidungen mit den Bloch-Vereinigungen, der Peter-Hacks-Gesellschaft[3], der Internationalen Hegel-Gesellschaft, der Leo Kofler-Gesellschaft, der International Herbert Marcuse Society und vor allem dem Instituto Lukács in Brasilien sowie der Internationalen Stiftung Lukács-Archiv, mit der wir für eine Wiederöffnung des immer noch geschlossenen Archivs in Budapest kämpfen. Auch soll der Kontakt mit der Lukács-Forschung in China weiter gepflegt werden.

In thematischer Hinsicht geht es in den nächsten Jahren auch darum, Lukács‘ möglichen Beitrag zu den aktuellen Debatten der Genderfrage, des Postkolonialismus, des Rassismus und der „Neuen Rechten“ erkennbar zu machen. Im nächsten Jahrbuch wird über die Aktivitäten zu berichten sein, die anlässlich von Lukács‘ 50. Todestag auf sein bedeutendes philosophisches Erbe aufmerksam machen.


[1] Werner Jung hat dann nach 2008 in Zusammenarbeit mit dem Gesellschaftswissenschaftlichen Institut Bochum (GIB) mehrere Sammelbände zu Lukács im Universitätsverlag Duisburg-Essen (UVRR) publiziert.

[2] Vgl. dazu die Rezension von Sebastian Lübcke in Weimarer Beiträge 66/2020, H.1, S.153 -157.

[3]  Vgl. Kristin Bönicke: Zum Verhältnis von Form und Inhalt in der Ästhetik von Georg Lukács und Hans Heinz Holz (https://www.dialektische-philosophie.org/aktuelles_hhh19/).

Frank Benseler, Rüdiger Dannemann, Werner Jung, Dieter Redlich u.a. in Paderborn – 1996 Gründung der IGLG