Lukács‘ philosophisches Testament „Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins“
Projektleitung: Rüdiger Dannemann
Mitarbeiter:
Rüdiger Dannemann
Konstantinos Kavoulakos
Diego Fernando Correa Castañeda
Ziel: Georg Lukács (1885-1971), ungar. Philosoph, Literaturhistoriker und politischer Theoretiker, war einer der wichtigen intellektuellen Protagonisten des Zwanzigsten Jahrhunderts und gilt weithin als der bis heute bedeutendste Philosoph in der Geschichte des Marxismus. Er war seit 1918 Mitglied der ungarischen KP, stellvertretender Volkskommissar für das Unterrichtswesen in der Räterepublik 1919, Emigration nach Wien, Berlin und Moskau, nach dem Zweiten Weltkrieg Professur in Budapest, führendes Mitglied des Petöfi-Klubs und beteiligt am Ungarnaufstand 1956 und einflussreichster Theoretiker der ‚Neuen Linken‘ um 1968. Nach 1989 drohte auch sein Werk in Vergessenheit zu geraten, in seiner Heimat wurde sein Archiv geschlossen, sein Denkmal abgebaut. Inzwischen erinnert man sich aber weltweit an sein Erbe, zumal in Lateinamerika und in China, aber auch im angloamerikanischen Raum.
Während Lukács‘ frühe Werke für das Studium des marxistischen Denkens anerkanntermaßen von zentraler Bedeutung sind, wurden seine späteren Werke, die nicht einfach der Tradition des „Westlichen Marxismus“ zuzurechnen sind, oft als politische Anpassungen an den Marxismus-Leninismus im „realen Sozialismus“ abgetan und deshalb ignoriert. In letzter Zeit mehren sich die Stimmen für eine neue Interpretation von Lukács‘ späteren Schriften zu so unterschiedlichen Themen wie Ästhetik, Politik und Ontologie. Es wird deutlicher, dass diese Schriften eine methodische Einheit aufweisen, die an die inspirierenden Ideen von Geschichte und Klassenbewusstsein anknüpfen.
Unser Projekt zu Lukács‘ philosophischem Testament möchte dazu beitragen, dass nicht nur in Lateinamerika und China die Voraussetzungen zu einer gründlichen Auseinandersetzung mit der Ontologie geschaffen werden.
Rüdiger Dannemann: Die Entfremdungskonzeption der Ontologie
(geplante Publikation 2023/24 des Entfremdungskapitels der Ontologie im Mangroven Verlag
Für die Wiederentdeckung des Spätwerks von Lukács besitzt das Kapitel „Die Entfremdung“, das den Schluss seiner Ontologie des gesellschaftlichen Seins, eine besondere Bedeutung, deren Substanz und Aktualität das Nachwort des Herausgebers herausstellt. Damit wird ein Schlüsseltext der seit Jahrzehnten vom Buchmarkt verschwundenen Ontologie wieder zugänglich.)
Konstantinos Kavoulakos: griechische Übersetzung der Ontologie (zunächst der Kapitel über Hegel und Marx)
(geplante Publikation noch offen – ein Werkstattbericht für das Lukács-Jahrbuch ist in Planung)
Diego Fernando Correa Castañeda: spanische Übersetzung der Ontologie
(geplante Publikation von Band 1 2024 – ein Werkstattbericht für das Lukács-Jahrbuch ist in Planung)
Zukunftsprojekte:
- Internationale Konferenz zu Lukács‘ Ontologie
Stand: April 2023
Erfahrungsbericht zur spanischen Übersetzung der Ontologie (November 2023)
Erfahrung mit der Übersetzung von Georg Lukács «Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins»
Nachdem ich die verschiedenen Ausgaben der «Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins» durchgesehen und festgestellt hatte, dass das Spanische (neben dem Englischen und Französischen) zu den einzigen Sprachen gehörte, in denen es keine vollständige Ausgabe gab, übernahm ich die gewaltige Aufgabe, das gesamte Werk auf der Grundlage der von Frank Benseler herausgegebenen Ausgabe von «Luchterhand 1984/1986» zu übersetzen und die marxistische Ontologie von Lukács zum ersten Mal der spanischsprachigen Welt bekannt zu machen.
Während der Übersetzungsarbeit stieß ich auf ein komplexes Geflecht von ontologischen und kategorialen Systemen, die von Lukács perfekt miteinander verwoben wurden und eine Verbindung zu den verschiedenen Formen bilden, die der Mensch bei seiner mühsamen Aufgabe, die Grenzen der Natur immer weiter zu verringern, einsetzt (in einigen Fällen kann die angewandte Disziplin zu einer Erweiterung dieser Grenzen führen); das heißt, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Theologie, Politik und Philosophie selbst, die als totalisierende ontologische Formen integriert sind, verwenden ihr eigenes kategoriales System, durch das sie die Realität des Alltags, in der das soziale Wesen seine Aktivitäten ausführt, formen, konstituieren und bestimmen.
Die Erfahrung mit der Übersetzungsarbeit, der Ausarbeitung der Einleitung, den ergänzenden Anmerkungen und der Herausgabe der «Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins» gab mir die Gelegenheit, die Unterscheidung kennenzulernen, die Lukács zwischen den von den verschiedenen Wissenschaften verwendeten und den von Marx eingeführten Kategorien macht. So konnte ich feststellen, dass wir von einer ersten Phase, in der theologische Kategorien wie Erlösung, Erbsünde oder Heil vorherrschend waren, zu anderen übergingen, in denen das Primat an diejenigen ging, die sich mit erkenntnistheoretischen Aspekten wie Abstraktion, Analogie oder Vernunft befassten, um dann den von Marx eingeführten ökonomischen Kategorien wie der ursprünglichen Akkumulation zu weichen, der Arbeitskraft oder des Mehrwerts.
Als ich die Werke von Dannemann, Jung, Benseler, Kavoulakos, Vedda, Infranca, Eörsi, Tertulian, Oldrini und anderen eingehend studierte, entdeckte ich, dass die Hauptaufgabe bei der Bekanntmachung des Lukács’schen opus postumum nicht darin bestand, seine neuartigen ontologischen Ansätze zu historisieren (Dannemann), sondern zu versuchen, die neuen ontologischen Systeme und Kategorien zu entdecken, durch die das bestehende Wirtschaftssystem seine Prinzipien in die sozialen Umgebungen einführt, in denen sie auftauchen.
Die Schlussfolgerungen, zu denen Lukács gelangt, nachdem er versucht hat, die historischen und systematischen Aspekte seiner ontologischen Konstruktion zu harmonisieren (es ist erwähnenswert, dass es sich dabei um einen der widersprüchlichsten Teile handelt, die die Ontologie bei ihren Kritikern hervorgerufen hat), bestehen meines Erachtens in einer Renaissance des Marxismus, weg von dem Dogmatismus, dem er durch die sowjetische Orthodoxie unterworfen war, durch die Eingliederung/ das Engagement von Individuen in gesellschaftliche Organisationsformen, wie politische Parteien, durch eine vollständige Demokratisierung des öffentlichen Lebens und des Alltags, in dem dem soziale Interaktionen.
Diego Fernando Correa Castañeda
Bald wird die spanische Übersetzung der „Ontologie des gesellschaftlichen Seins. Bd. 1“ erscheinen können. Die Edition und Übersetzung besorgt Diego Fernando Correa Castañeda, der auch ein ausführliches Vorwort beisteuert.
Lukács‘ Ontologie in Mexiko
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